Eine KriminalShortStory von Axel Emmrich
Als der Mann das Paket öffnete, war er in angespannter Vorfreude
Vorsichtig glitt das Teppichmesser durch das Klebeband, dann hob er die Laschen an – Zentimeter für Zentimeter, als könne zu viel Eile das teure Innenleben beschädigen.
Was er sah, ließ ihn zuerst hoffen: Alles war extrem sorgfältig verpackt. Dicke Schichten Luftpolsterfolie umhüllten das Innere, präzise zu einem Block gewickelt. Zielstrebig schnitt er das Klebeband auf, entrollte Lage für Lage. Der Karton war sorgfältig verklebt. Der Inhalt auch. Angemessen für den Wert der Sendung, dachte Herr E.– Sein Traum-Smartphone, das Samsung Galaxy S25 Ultra.
Aber dann kam der Moment…
Zuerst fiel ihm ein kleiner, glattgeschliffener Stein in die Hand. Schwarz, rund, etwa so groß wie ein Golfball. Darunter: eine sorgfältig eingewickelte, leere Piccolo-Sektflasche. Sonst nichts. Kein Karton mit Siegel, kein Handy, kein Ladegerät – nichts.
Der Mann blieb sitzen, das Messer in der Hand, das Paket vor sich auf dem Tisch. Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Verstand die Realität zuließ.
Dann setzte sich das Gefühl fest – zuerst wie ein kalter Nebel im Bauch, dann aufsteigend zur Brust, und schließlich wie ein dumpfer Schlag in die Schläfen:
Er war betrogen worden.
Er war reingefallen. Und das ausgerechnet mir, dachte er und spürte Scham in sich aufsteigen. Fast so wie als Jugendlicher bei seinem ersten Saunabesuch. Und nun mit fast 70 wieder.
Für einen Moment war alles still. Keine Wut. Kein Fluchen. Nur diese dumpfe, lähmende Mischung aus Enttäuschung und Scham. Die Art von Scham, die nicht von außen kommt, sondern von innen. Ein Gefühl des Nicht-Genügens in der Welt.
Dann eine leise Stimme, die immer lauter wurde: Du hättest es merken können. Hättest du es verhindern können?
Zwei Wochen zuvor hatte alles noch anders ausgesehen.
Da war er überzeugt gewesen, genau das!! Schnäppchen gemacht zu haben. War es die Gier, die sein Sensorium abgeschaltet hatte?
Er saß mit seinem alten Galaxy S9 in der Küche, der Akku glühte bei der einfachsten Google-Suche und das Gerät machte nach 8 Std schon schlapp. Seit einem Jahr hatte Samsung den Support eingestellt. Keine Updates mehr. Keine Sicherheit. Keine Zukunft.
Er wusste: Es war Zeit für ein neues.
Und nach tagelanger Recherche fiel die Wahl auf das Samsung Galaxy S25 Ultra – das neuste Flaggschiff. 1TB Speicher, 200-Megapixel-Kamera, Titan-Gehäuse. Ein echtes Biest.
Aber als er die Preise sah – 1.899 Euro – wurde ihm schwindlig.
Fast eine normale Monatsrente. Für ein Smartphone. So groß konnte seine Lust auf das Gerät gar nicht sein. Ein Verschwender war er nicht. Also ein anderes, billigeres Gerät ? – Nein, er hatte schon vieles im Internet zu viel günstigeren als den offiziellen Preisen gekauft.
Er klickte sich durch Kleinanzeigen. Nach Tagen stieß er auf das Profil von „Ben_CM89“.
Keine Bewertungen, aber das Angebot war zu gut:
„S25 Ultra, neu und versiegelt, direkt aus Vertragsverlängerung. 1.000 Euro VB. Versand per DHL-Nachnahme möglich.“
Der Mann schrieb ihm.
Die Antwort kam schnell, fast zu schnell:
„Ja, ist noch zu haben. Versand geht klar. Nachnahme ist für beide Seiten sicher. Du zahlst erst beim Empfang.“
Es klang vernünftig. Seriös.
Er bat um ein Foto – es kam: ein glänzender Karton, auf einem Küchentisch.
Er fragte nach dem Ausweis – bekam ihn: unscharf, aber immerhin.
Das reichte ihm.
Drei Tage später klingelte DHL. 1.000 Euro bar auf den Tisch. Quittung, Unterschrift, Paket.
Was sollte schon schiefgehen?
Jetzt saß der Mann vor dem Stein und der leeren Flasche.
Er starrte in das Paket, als würde der Inhalt sich noch verwandeln, wenn er nur lange genug wartete.
Aber Wunder sind selten.
Er wählte die Nummer der Polizei.
Am anderen Ende meldete sich Haupt- Kommissar Mangold.
Nach kurzer Schilderung klang seine Stimme wenig überrascht. Ruhig, sachlich.
„Nachnahme? Privatverkauf? Tja. Da sind Sie nicht der Erste. Ich werde sie jetzt Schritt für Schritt durch das Anzeigen-Formular führen. Bitte rufen Sie folgende Seite im Internet auf:https://internetwache.polizei.nrw/ich-moechte-eine-anzeige-erstatten.